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Der Musik-Kabarettist Lars Reichow über seine neue Realität

Die Ausbreitung des Coronavirus hat eine ganze Branche lahmgelegt: Die Kulturlandschaft existierte monatelang de facto nicht mehr. Auftritte wurden abgesagt, Theater gesperrt. Für die freischaffenden Künstler war und ist das ein riesiges Problem: Ihre Einnahmen sind weggebrochen. Der Musik-Kabarettist Lars Reichow, der am 5. September wieder erstmals in Stuttgart im Renitenztheater (genauer gesagt im Paul-Lechler-Saal im Hospitalhof) auftreten wird,  erzählt, wie er von der Krise betroffen ist.

Herr Reichow, wie geht es Ihnen seit dem Lockdown im März? Wie viele Veranstaltungen wurden bei Ihnen seither abgesagt bzw. verschoben?

Oh Gott, ich hab sie nicht gezählt. Ich schätze über 50. Besonders schlimm sind Veranstaltungen, die auch beim zweiten Versuch nicht stattfinden können, weil die Lage immer noch kompliziert ist. Ich sage nur: AUA!

Haben Sie während des Lockdowns neue Konzepte entwickelt, um künstlerisch präsent zu sein – digital, open air? Haben Sie evtl. über neue Programminhalte nachgedacht für die Zeit nach der Pandemie?

Nach einer Woche Stillstand habe ich angefangen, mein Radio-Engagement etwas zu befeuern. Mein geliebter SWR-Redakteur Martin Roth gab mir die Gelegenheit, täglich eine Kolumne zu sprechen. Die von mir sehr geschätzte TV-Unterhaltung in Mainz hat meine Corona-Häppchen dann ins Bild gesetzt und dann kamen auch schon die ersten Auto-Kino-Auftritte.

Ich bin eigentlich seit Beginn der Epidemie im kreativen Krisen-Modus und jetzt arbeite ich an meinem neuen Programm; das soll am 10. Oktober Premiere haben. Und das wird es auch!

Haben Sie eine Familie, die trotz aller Widrigkeiten ernährt werden muss?

Oh ja, meine Frau und die vier Kinder sitzen mit weit aufgerissenen Schnäbeln im Nest bzw. an ihren Studienorten. Die Kosten für den Unterhalt sind enorm und wir geben jetzt das Geld aus, das eigentlich gedacht war für den Notfall. Dass es so ein langer Notfall wird, damit hatten wir nie gerechnet.

Diese besondere Situation, die ja noch nie jemand zuvor erlebt hat, erfordert sie, Ihrer Meinung nach,  besondere Unterstützung, zum Beispiel auch durch ein Grundeinkommen, evtl. befristet auf einen bestimmten Krisen-Zeitraum? Haben Sie andere Ideen oder Wünsche an die Politikerinnen und Politiker?

Der Staat hat ungeheure Mengen an Geld locker gemacht, um die Wirtschaft zu stützen. Das gilt aber nicht für die Kultur. Wieso weiß es niemand zu schätzen, dass die Kulturwirtschaft eine immense Umsatzstärke und eine viel größere Bedeutung hat, als man sich vorstellen kann. Wir sind doch keine Freizeit-Clowns und Hobby-Sänger, die die gute Laune nur zum Spaß verbreiten. Wir leben von unseren Einnahmen und wir gehen gerade flächendeckend vor die Hunde. Ein Grundeinkommen ist für viele dringend erforderlich, ebenfalls würde ich mir mehr Ideen wünschen, wie man in diesen Zeiten Kultur zu den Menschen bringen kann.

Sind Sie inzwischen schon wieder an Theatern aufgetreten und wenn ja, wie waren Ihre Erfahrungen dort – hinsichtlich der Umsetzung der Hygiene- und Sicherheitsstandards, hinsichtlich des Publikums?

Ja, es gab ein paar Open-Air-Auftritte. Manche Veranstalter haben die Möglichkeit, mühelos Distanz herzustellen, so dass alles schon fast wie früher wirkt. Andere nicht.

Mich ärgert, dass die Lufthansa vollbesetzt nach Griechenland fliegt und in einem Theater nur jeder vierte Platz besetzt werden darf. Dann müssen wir eben Veranstaltungen an Bord der Lufthansa durchführen!

Wie sehen Sie die Vorstellungen vor einem jetzt doch deutlich kleineren Zuschauerkreis: Positiv, weil nah dran an einer intimen Zuhörerschar und gut, um in Erinnerung zu bleiben bzw. um überhaupt spielen zu können?

Mein erster Auftritt mit Publikum war in einem Keller in Trier vor 10 Mitarbeitern des Bischofs. Es war unglaublich, was die für eine Stimmung gemacht haben.

Ich habe gespürt, wie ausgehungert wir auf beiden Seiten waren. Es war so wie Wasser-Trinken an einer kleinen Oase mitten in der Wüste.

Was erwartet die Zuschauer bei Ihrem Auftritt im Renitenztheater bzw. im Hospitalhof und Ihrem Programm „Wunschkonzert – Best of Klaviator?“ Warum sollte man/frau das unbedingt besuchen?

Es wird ein Best of Corona-Programm. Ich werde alles geben und davon nur das Beste. Kabarett ist gesund, senkt das Fieber und lässt kleinere Infektionen verschwinden …

Mit anderen Worten: Ich werde auch über Donald Trump sprechen und singen. Schon allein dafür lohnt es sich zu kommen!

Sie haben sich zu einer Doppelvorstellung bereit erklärt und spielen um 18 Uhr und 21 Uhr. Ist das ein Kraftakt oder fällt Ihnen das eher leicht?

Ich werde spielen wie eine schwäbische Hausfrau. In der 18-Uhr-Vorstellung gebe ich alles. In der 21-Uhr spiele ich um mein Leben. Stuttgart hat das beste Publikum im deutschsprachigen Raum, wenn nicht sogar weltweit. Das ist für mich Anspruch, Ansporn und Messlatte. –

Herzlichen Dank an Lars Reichow!

Wir freuen uns ihn am 5. September um 18 und 21 Uhr bei uns willkommen heißen zu können. Wer jetzt Lust bekommen hat Lars Reichow live zu erleben: Karten gibt es direkt hier.

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